Warum Marathonläufer im Training oft blasenfrei bleiben, aber im Wettkampf leiden
Jeder ambitionierte Läufer kennt dieses Szenario: Monatelang quälst du dich durch lange Trainingsläufe, oft über 30 Kilometer, ohne die geringste Spur einer Blase. Du fühlst dich unbesiegbar. Und dann, am großen Tag, beim Marathon, verwandelt sich dein Fuß in ein Schlachtfeld aus brennenden "Hotspots" und schmerzhaften Blasen. Was ist da los? Warum entsteht dieses Problem oft erst genau dann, wenn es am meisten schmerzt – nämlich im Wettkampf?
1. Die drei Täter: Reibung, Hitze und Feuchtigkeit
Die grundlegende Wissenschaft hinter Blasen ist klar: Reibung, Hitze und Feuchtigkeit sind die Hauptverursacher. Die Haut reagiert auf wiederholte Scherkräfte, die durch das Hin- und Herbewegen des Fußes im Schuh entstehen. Sie trennt die oberste Hautschicht (Epidermis) von den darunterliegenden Schichten, und der entstehende Hohlraum füllt sich mit Flüssigkeit, um das Gewebe zu schützen.
Im Training lernen sich deine Füße, Socken und Schuhe an die Reibung aneinander anzupassen. Die Haut wird an den am stärksten beanspruchten Stellen widerstandsfähiger. Aber der Wettkampf bringt eine Reihe von Variablen ins Spiel, die im Training oft fehlen:
2. Der Wettkampfmodus: schneller, härter, anders
Anderer Laufstil und höhere Geschwindigkeit:
Im Training läufst du in der Regel mit einem gleichmäßigen, kontrollierten Tempo. Im Marathon, angetrieben von Adrenalin, der Menge und dem Wunsch nach einer Bestzeit, läufst du oft schneller und mit einer höheren Schrittfrequenz. Dies verändert die Biomechanik deines Fußes und kann zu einer erhöhten Reibung an Stellen führen, die im Training kaum belastet wurden.
Die Macht der Emotionen und die Fußschweißdrüsen:
Wettkampfnervosität ist real. Diese erhöhte Anspannung stimuliert das sympathische Nervensystem, das unter anderem auch die Schweißproduktion in den Füßen ankurbelt. Feuchtigkeit ist der Erzfeind der Reibung, denn nasse Haut ist weicher und anfälliger für die Bildung von Blasen. Eine Studie, die im Journal of the American Podiatric Medical Association veröffentlicht wurde, ergab, dass feuchte Umgebungen die Hautweichheit um 45 % erhöhen, was die Reibung exponentiell steigert.
Nass von außen:
Auch äußere Faktoren spielen eine Rolle. An Verpflegungsstationen nehmen Läufer Wasser an und schütten es sich oft über Kopf und Körper, um sich abzukühlen. Das Wasser läuft in die Schuhe und durchnässt Socken und Einlegesohlen. Dieser Effekt, in Kombination mit der erhöhten Schweißproduktion, schafft ein feuchtes, warmes Klima, das die Bildung von Blasen begünstigt.
Veränderte Streckenbedingungen:
Im Training läufst du vielleicht deine gewohnte, saubere Runde im Park. Im Wettkampf kann der Untergrund variieren. Schmutz, Staub oder Sand, die in die Schuhe gelangen, wirken wie Schleifpapier und erhöhen die Reibung an der Hautoberfläche erheblich. Eine Untersuchung von Ultraläufern zeigte, dass dies ein wichtiger Faktor bei der Blasenbildung sein kann.
3. Die Taper-Phase: Anpassungen der Haut gehen verloren?
Ein weiterer interessanter Punkt ist die Taper-Phase, in der das Trainingspensum vor dem Wettkampf stark reduziert wird. Während diese Pause für die Erholung der Muskulatur unerlässlich ist, könnte sie eine unglückliche Nebenwirkung für die Haut haben. Die Haut passt sich schnell an Belastungen an und wird widerstandsfähiger. In den 2-3 Wochen vor dem Marathon, in denen der Fuß weniger Belastung ausgesetzt ist, könnten diese positiven Anpassungen teilweise wieder zurückgehen. Die Haut wird wieder weicher und ist dann im Wettkampf weniger gewappnet für die hohe Belastung.
Fazit: Vorbereitung ist alles
Blasen im Marathon sind kein Zufall, sondern das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von biologischen und externen Faktoren. Es ist die Kombination aus schnellerem Tempo, erhöhter Schweißproduktion, äußerer Feuchtigkeit und einer möglicherweise weniger widerstandsfähigen Haut, die das "Blasen-Paradox" erklärt.
Wie du Blasen im Wettkampf vorbeugen kannst:
- Wähle die richtigen Socken: Investiere in feuchtigkeitsableitende Funktionssocken und verzichte auf Baumwolle. Doppellagige Socken können die Reibung zwischen den Hautschichten reduzieren.
- Trage die richtigen Schuhe: Deine Wettkampfschuhe sollten gut eingelaufen sein und eine perfekte Passform haben. Kaufe niemals neue Schuhe kurz vor einem Marathon.
- Teste im Training: Probiere deine gesamte Ausrüstung – von Socken über Schuhe bis hin zu allen Hilfsmitteln wie Balsam oder Taping – in deinen langen Trainingsläufen aus, auch bei unterschiedlichen Wetterbedingungen.
- Fußpflege: Schneide deine Zehennägel und entferne übermäßige Hornhaut an Reibungsstellen. Diese können die Reibung erhöhen.
- Blasen-Prävention: Nutze spezielle Anti-Blasen-Balsame oder Sport-Tape an Stellen, die anfällig für Blasen sind. Experimentiere im Training, um herauszufinden, was für dich am besten funktioniert.
Blasen können einen Marathon zerstören. Aber mit dem richtigen Wissen und einer gründlichen Vorbereitung kannst du das Risiko minimieren und dich voll und ganz auf das Erlebnis konzentrieren, die Ziellinie zu überqueren – ohne schmerzhafte Überraschungen an den Füßen.